- Noch immer ist keine Entscheidung über eine Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine gefallen.
- Die Ampel ist uneins, die Opposition sieht die Koalition sogar am Zerbrechen.
Die Entscheidung über eine Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine ist nach Angaben von Bundesverteidigungsminister
Bundesaußenministerin
Verteidigungsminister Pistorius: Bundesregierung muss in Panzerfrage "sehr sorgfältig abwägen"
Pistorius sagte, die Entscheidung hänge "von vielen Faktoren ab" und werde "im Kanzleramt getroffen". Jeder verstehe, in welcher Not die Ukraine aktuell sei. Deswegen werde es "auch bald eine Entscheidung geben, wie immer sie aussieht".
"Dass es Panzer braucht, dass es Offensivbewegung braucht im Hinblick auf Donbass und Luhansk, ist völlig klar", sagte der Minister. Für Deutschland gehe es einerseits um die Abstimmung mit den Partnerländern. Dies sei "vor allem" die Abstimmung mit den USA.
Gleichzeitig handele es sich um eine "schwere Panzerwaffe, die eben auch für Offensivzwecke genutzt werden kann". Deshalb müsse die Bundesregierung hier "sehr sorgfältig abwägen" und könne "nicht übereilt und leichtfertig" entscheiden. Pistorius verwies darauf, dass es auch in der deutschen Bevölkerung "keinesfalls ein einheitliches Meinungsbild" zu der Frage der Panzerlieferungen gebe. SPD-Chef
Zu der Kritik des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, Deutschlands Zögern sei "inakzeptabel", sagte Pistorius: "Schuldzuweisungen helfen niemanden." Deutschland stehe "an der Spitze derjenigen Länder in der Welt, die die Ukraine unterstützen". Die Bundesregierung habe inzwischen insgesamt Systeme und Ausstattung im Wert von 3,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Deutschland müsse sich hier "nicht verstecken".
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte zuvor angekündigt, notfalls auch ohne Zustimmung Deutschlands Leoparden an die Ukraine zu liefern. Der Nachrichtenagentur PAP sagte er: "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Ukraine ausblutet. Die Ukraine und Europa werden diesen Krieg gewinnen – mit oder ohne Deutschland." Wenn es mit Deutschland keine baldige Einigung gebe, werde Polen mit anderen Ländern eine "kleinere Koalition" bilden. Diese Länder würden dann ohne deutsche Zustimmung beginnen, einige ihrer Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern.
Streit in der Ampel: SPD-Vertreter mahnen zur Besonnenheit
Neben Pistorius und Klingbeil stellten sich auch andere führende SPD-Vertreter hinter den Kanzler. Aussagen auch von Koalitionsmitgliedern in den vergangenen Wochen über den Kanzler schwächten die Politik der Bundesregierung, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Sonntagabend im ZDF-"heute journal". "Ich habe mich lange zurückgehalten, aber ich fand am Wochenende war diese Kritik, insbesondere auch einer Kollegin, die immerhin Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ist, maßlos."
FDP-Verteidigungsexpertin
Mützenich warnte zudem vor einer Politik mit Schnappatmung. "Frau Strack-Zimmermann und andere reden uns in eine militärische Auseinandersetzung hinein. Dieselben, die heute Alleingänge mit schweren Kampfpanzern fordern, werden morgen nach Flugzeugen oder Truppen schreien", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Eine Politik in Zeiten eines Krieges in Europa macht man nicht im Stil von Empörungsritualen oder mit Schnappatmung, sondern mit Klarheit und Vernunft."
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese nahm Scholz ebenfalls in Schutz. Der "Rheinischen Post" sagte er: "Innerhalb der Ampel-Koalition arbeiten wir in dieser herausfordernden Lage konstruktiv und abgestimmt unter der Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. Einzelne Abweichungen sollte man aber auch nicht überbewerten." Wiese fügte an: "Vielmehr sollte man jetzt die Nerven bewahren und Entscheidungen grundsätzlich nicht aus dem Bauch heraus treffen." Der SPD-Politiker warnte zudem vor "übereilten Alleingängen".
Druck in Panzerfrage auch von den Grünen
Druck bekamen Scholz und die SPD auch vom anderen Koalitionspartner, den Grünen. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es müsse "jetzt sofort" mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten am Leopard begonnen werden, damit es nicht zu weiteren Verzögerungen komme.
Grünen-Chef Omid Nouripour forderte Scholz in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" auf, möglichst schnell eine Entscheidung über die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine zu treffen. "Es ist halt ein schmaler Grat zwischen Bündnispartnerschaft und Solidarität auf der einen Seite – und einem deutschen Sonderweg auf der anderen Seite." Die Grünen hätten entsprechende Parteitagsbeschlüsse gefasst, dass der Ukraine geliefert werden solle, was sie brauche.
Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte eine schnelle Entscheidung über Panzerlieferungen. "Wer nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg verliert, muss zügig handeln", sagte er der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe).
Zögern bei Panzer-Lieferungen: Druck auf Bundeskanzler Scholz wächst
Zerbricht die Koalition? Opposition sieht Ampel im Trennungsprozess
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sieht die Koalition am Zerbrechen. "Die Szenen, die sich gerade in der Ampel-Koalition abspielen, erinnern an ein Scheidungsverfahren", sagte Frei der "Bild". Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte der Zeitung: "FDP und Grüne müssen sich fragen, ob sie bereit sind, gegen ihre eigene Überzeugung die Verantwortung für dieses Versagen mit zu übernehmen." Die Bündnisblockade von Scholz und der SPD bedeute, "dass Deutschland in einer historischen Bewährungsprobe des Krieges in Europa an einem entscheidenden Punkt versagt".
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) sagte in der Sendung "Bericht aus Berlin", er habe erwartet, dass Scholz bei den Feierlichkeiten zu 60 Jahren Elysée-Vertrag eine gemeinsame Erklärung mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zu Kampfpanzer-Lieferungen in die Ukraine abgebe. Diese Chance habe Scholz verpasst. "Das Abwägen und das, was Sie auch als Zögern bezeichnen, müsste der deutsche Bundeskanzler dann wenigstens erklären." Deutschland müsse zumindest der Lieferung von Leopard-Lieferungen durch Bündnispartner zustimmen, forderte Merz.
Auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja kritisierte das Zögern von Bundeskanzler Olaf Scholz. "Das kostet auch Leben auf beiden Seiten, wenn wir jetzt weiter nicht Klarheit haben innerhalb des nationalen Verteidigungsbündnisses", sagte Czaja am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Es sei dennoch wichtig, dass Deutschland nicht Kriegspartei werde, sondern die Ukraine "im Rahmen der völkerrechtlichen Möglichkeiten" unterstütze. Die Ausbildung von ukrainischen Soldaten an den Leopard-Kampfpanzern und die Lieferung der Panzer seien der richtige Schritt.
Die Ukraine hatte Deutschland bereits am 3. März 2022 – gut eine Woche nach dem russischen Angriff – erstmals offiziell um die Kampfpanzer gebeten und diese Forderung danach immer wiederholt. Deutschland nimmt als Produktionsland in der Frage eine Schlüsselrolle ein. Eine Weitergabe an die Ukraine auch durch andere Länder muss von der Bundesregierung genehmigt werden. (dpa/AFP/tas)