Am Donnerstagabend diskutierte Maybrit Illner mit ihren Gästen über die Kritik am Entlastungspaket und die Reform des Strommarktes. Im Raum stand vor allem die Frage: Wer muss wie entlastet werden? Nur Geringverdiener oder auch Mittelständler? Aus dem Bundeshaushalt oder mit Mitteln der Konzerne? SPD-Minister Heil erwies sich über große Strecken als Debatten-Bremser. Jens Spahn (CDU) war es am Ende, der den alles entscheidenden Satz sagte.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das dritte Entlastungspaket in Höhe von 65 Milliarden Euro liegt auf dem Tisch. Neben Einmalzahlungen für Rentner und Studierende enthält es beispielsweise eine Erhöhung des Kindergelds, eine Wohngeldreform und eine Strompreisbremse. Doch die Kritik am Paket ist groß.

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Das war das Thema bei "Maybrit Illner"

Maybrit Illner diskutierte deshalb mit ihren Gästen über die Kritik am Entlastungspaket, vor allem über den fehlenden Plan in Sachen Strompreisbremse. "Wie wuchtig ist das Paket tatsächlich?", wollte sie von den Gästen im Studio wissen.

Dabei ging es auch um die Gas-Umlage, Zufallsgewinne und der europäische Strommarkt. Weitere Themen waren die Rolle der Europäischen Union, der Arbeitgeber und Bundesländer.

Das waren die Gäste

Hubertus Heil (SPD): Der Arbeits- und Sozialminister betonte: "Putin setzt Gas als Waffe ein, um Deutschland zu destabilisieren. Wir haben die Chance, die Gesellschaft zusammenzuhalten, wenn wir das Richtige tun." Es sei normal, dass man in einer Krise nachsteuern müsse und kurzfristige Entscheidungen treffe, sagte er mit Blick auf die Aussage Habecks, dass Klein- und mittelständische Betriebe nun doch auch unter einen Rettungsschirm schlüpfen können.

Jens Spahn (CDU): "Die Hälfte vom Finanzvolumen im Entlastungspaket ist völlig ungeklärt", kritisierte Spahn. Offen seien die Fragen: "Wann kommt was? Wie hoch ist der Strompreis? Für wen gibt es welche Begrenzung?" Bald beginne der Winter und die Menschen hätten nicht "den Hauch von Sicherheit, was auf sie zukommt bei Strom und Gas". Spahn sagte: "Wir haben einen ganzen Sommer mit Streit vertrödelt". Auf dem Konto der EEG-Umlage hätten sich 18 Milliarden Euro angehäuft. "Diese könnte man sofort nutzen", so Spahn.

Karen Pittel: "Es sieht so aus, als ob wir auf eine Rezession zugehen", analysierte die Ökonomin von ifo-Zentrum. Momentan gingen die EU-Staaten dazu über, eigene Lösungen bei den Strompreisen zu finden, was aber Effekte für alle habe. "Der Teufel liegt im Detail", erklärte sie und sagte mit Blick auf eine Strompreisbremse: "Dass man eine Lösung findet, heißt noch lange nicht, dass man eine gute findet". Das Abschöpfen der Übergewinne und die Strompreisbremse würden in der Debatte immer wieder durcheinander geschmissen.

Verena Bentele: Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK sagte: "Jetzt wird es an der Umsetzung hängen. Für viele Menschen sind 300 Euro schnell weg." Es komme darauf an, ob systematisch etwas gegen hohe Strom- und Gaspreise getan werde. Viele Mitglieder würden dem Verband schreiben, einmal 300 Euro reichten nicht aus, sie müssten dauerhaft von einer niedrigen Rente oder einem geringen Einkommen leben. "Es braucht einen Strom- und Gaspreisdeckel für den Grundverbrauch", so Bentele.

Hermann-Josef Tenhagen: Der Journalist von "Finanztip" kritisierte: "Ganz viel greift erst im nächsten Jahr, aber die Leute bekommen jetzt die Rechnungen". Viele Menschen würden Wohngeldanträge trotz Anspruch nicht stellen, sodass ihnen Geld verloren gehe. Gleichzeitig beschäftige die Verbraucher, dass sie nun Kündigungen von Strompreisanbietern erhalten hätten und neue Verträge bräuchten. Teilweise hätten die Versorger dabei Mondpreise. "Der neue Vertrag muss berechenbar sein", forderte Tenhagen.

Melanie Amann: "Ich habe die Befürchtung, dass die Zustimmung zur Unterstützung der Ukraine in Folge des Angriffs in den nächsten Monaten schwindet", wähnte die "Spiegel"-Journalistin. "Dass sie bröckelt, wenn die Leute die Folgen am eigenen Leib spüren", sagte sie. Die Kommunikation über das Entlastungspaket sei erratisch. "Die wichtigsten energiepolitischen Projekte bekommt Herr Habeck offensichtlich nicht in den Griff – weder das Atomenergiethema noch die Gasumlage", so Amann.

Das war der Moment des Abends bei "Maybrit Illner"

Es war ein einziger Satz, der den Moment des Abends markierte. Ausgesprochen wurde er von Jens Spahn, der zunächst einstieg: "Niemand bezweifelt, dass es richtig ist, Uniper zu stabilisieren. Die Frage ist, wie". Bei der von der Bundesregierung beschlossene Gas-Umlage würden die ganzen "Feinheiten von Regelungswut" in Deutschland zu Buche schlagen. Dann der entscheidende Satz: "Alle sind verunsichert".

Spahn fuhr beim Thema Rettung der Versorger fort: "Es wäre leichter gewesen, aus heutiger Sicht, nach diesen ganzen Verrenkungen das aus dem Bundeshaushalt zu machen". Denn dann hätte man auch vereinbaren können, dass Uniper das Geld zurückzahlen müsse, sobald es dem Konzern besser gehe. "Damit die Gewinne da nicht sozialisiert werden", merkte Spahn an.

Das war das Rede-Duell des Abends

Das Rede-Duell war bezeichnend für den ganzen Abend, weil es nämlich eigentlich kein wirkliches war. Arbeitsminister Heil präsentierte sich immer wieder als jemand, der Debatten ausbremste. Karen Pittel hatte mit ihrer Kritik soeben eine Vorlage gegeben: "Die Gas-Umlage macht aus meinem Blick keinen Sinn mehr, seit wir im Prinzip die Gegenfinanzierung über die Mehrwertsteuersenkung haben. Zu sagen, wir legen diese Gas-Umlage um und mehr oder weniger in der gleichen Höhe oder Dimension senken wir dann die Mehrwertsteuer, das ist mir nicht wirklich klar", sagte die Ökonomin.

Doch Heil fuhr eine Taktik, die er mehrmals am Abend versuchte. Er sagte: "Der wichtigste Punkt in diesem Jahr war, die Versorgungssicherheit des Landes zu sichern." Da kommentierte schon Illner von der Seite: "Das haben Sie schon drei Mal gesagt, Herr Heil". Der fuhr fort: Man habe hohe Weltmarktpreise und müsse Energie aus anderen Ländern besorgen.

Man müsse aufpassen, dass Versorger nicht pleite gingen, aber auch "Wir müssen gucken, dass es nicht die Falschen bekommen." Wenn man ernsthaft über das Thema reden wollen, müsse man sich klarmachen, dass die Ursache sei, dass Putin mit Gas Krieg macht. Amann brachte es dann auf den Punkt: "Sie wehren sich ständig gegen Dinge, die niemand gesagt hat", sagte sie.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Maybrit Illner machte einen soliden Job und ließ keinen im Studio mit einfachen Antworten davonkommen: "Ist es einfacher, das Geld auszugeben, wenn man es nicht selbst ausgeben muss?", fragte sie in Richtung Heil und von Jens Spahn wollte sie wissen: "Gibt es plötzlich das Herz für die Bedürftigen und wo fangen sie an?".

Zu wenig zu Wort kommen ließ Illner derweil die VdK-Präsidentin Bentele und den Journalist Tenhagen – die Redebeiträge der beiden waren äußerst begrenzt. Gleichzeitig geriet die Perspektive des Verbrauchers zu oft aus dem Blick und auf manche Fragen fand das Studio keine Antwort, etwa beim Strompreis: "Wie lange können wir darauf warten, dass es entweder eine europäische oder eine nationale Lösung gibt?".

Das war das Ergebnis bei "Illner"

Es war sicher keine einfache Aufgabe, so technische Themen wie Strompreisbremse, Übergewinn- und Zufallssteuer, Wohngeldreform und Heizkostenzuschuss anschaulich, verständlich und für den Zuschauer relevant zu machen. Dennoch: Die Lebenswelt der Verbraucher kam zu kurz.

Zwei weitere Punkte fehlten: Die Solidarität mit der Ukraine und der gesellschaftliche Zusammenhalt hierzulande. Neben allen energie- und finanzpolitischen Maßnahmen warf der Abend die Frage auf: Was tun, wenn es hier gewaltig bröckelt?

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