- Karl Nehammer hat die EU aufgefordert, Grenzzäune an der bulgarisch-türkischen Grenze zu finanzieren.
- Zuvor hatte er den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens verhindert.
- Opposition und EU-Parlamentarier werfen Nehammer Populismus vor.
Drei Wochen vor dem EU-Migrationsgipfel hat sich
Bei einem Treffen mit dem bulgarischen Staatschef Rumen Radew brachte Nehammer nun Finanzhilfen für den Grenzzaun an der bulgarisch-türkischen Grenze ins Spiel. Dafür forderte er von der EU zwei Milliarden Euro.
Bulgariens Präsident Radew sagte, Bulgarien brauche Finanzhilfen, um die Sicherung der EU-Außengrenze zur Türkei zu verbessern. "Wir stehen vor einem mächtigen, gut organisierten Netz zum Schleusen von Migranten", sagte Radew, der betonte, dass der Migrationsdruck aus der Türkei gewachsen sei.
Bulgarische Grenze bereits stark gesichert
Bulgarien sichert die EU-Außengrenze zur Türkei bereits seit 2017 mit einem 234 Kilometer langen Metallzaun mit Stacheldraht und Wärmebildkameras. Die Sicherung der Grenze wird durch das bulgarische Militär und die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex unterstützt.
Trotzdem gibt es immer wieder illegale Grenzübertritte. Laut Gerald Tatzgern vom österreichischen Bundeskriminalamt würden Schlepper die Schwachstellen des bestehenden Grenzzauns konsequent ausnutzen. Deshalb sei der Ausbau des Grenzzauns von entscheidender Bedeutung zur Schleppereibekämpfung, sagte Tatzgern.
Der grüne Europaabgeordnete Erik Marquardt hält das für die falsche Lösung: "Grenzzäune lösen keine Probleme", sagte Marquardt am Dienstag im Gespräch mit unserer Redaktion. Vielmehr seien sie ein "populistisches Symbol, welches nicht dazu beiträgt, dass weniger Menschen fliehen."
Marquardt befürchtet "Allianz gegen Asylrecht"
Der Streit zeigt die verschiedenen Strömungen in der EU bei diesem Thema. Im Kern geht es dabei darum, ob das Recht auf Asyl, das in der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschrieben ist, Anwendung findet: "Wenn jemand auf der anderen Seite des Zauns steht und Asyl beantragen will, dann muss derjenige die Möglichkeit haben, Asyl zu beantragen,“ sagte Marquardt.
Er sieht in der EU zunehmend Kräfte, die dieses Grundrecht außer Kraft setzen wollen und zählt dazu auch die österreichische Regierung unter Kanzler Nehammer: "Die Regierungen von Österreich, Ungarn, Polen, Kroatien, Griechenland, und Italien wollen aktuell eine Art Allianz mit dem Ziel bilden, das Asylrecht abzuschaffen", beschreibt Marquardt.
Von den Außengrenzen in Griechenland, Kroatien, aber auch Bulgarien gibt es immer wieder Berichte illegaler Pushbacks. Dabei werden Migranten, die die Grenze bereits überquert haben und Asyl beantragen wollen, illegal und unter Anwendung von Gewalt aus der EU gebracht. Die bulgarische Vize-Präsidentin Iliana Jotowa scheint diese Praxis zu befürworten. Sie sagte am Montag in einem Interview des Staatsradios, dass es sich bei den irregulären Grenzübertritten kaum um Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention handle. Dabei kamen die meisten Migranten aus Afghanistan und Syrien, also aus Ländern, bei denen ein Anrecht auf Asyl nicht unwahrscheinlich ist.
Streit um Schengen nicht beigelegt
Die Differenzen zwischen Österreich und Bulgarien zu Schengen rückten angesichts der Forderungen beider Länder nach einem EU-finanzierten Grenzzaun in den Hintergrund. Dabei ist die Aufnahme in den Schengen-Raum für Bulgarien ein wichtiger Faktor - sowohl für die Bevölkerung, die dann freier reisen könnte, als auch für die bulgarische Wirtschaft.
Der bulgarische Präsident Radew betonte, dass wegen der wirtschaftlichen Verflechtungen auch Österreichs Wirtschaft unter der Nicht-Teilhabe am Schengenraum leide. Auch Österreich sei diesbezüglich "ein Verlierer" als größter Investor in Bulgarien, sagt Radew.
Gegenwind für seinen Schritt bekam Nehammer auch aus dem eigenen politischen Lager. Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke bekräftigte am Dienstag gegenüber unserer Redaktion den Willen der EU, Bulgarien in den Schengen-Raum aufzunehmen: „Bulgarien und Rumänien erfüllen die Voraussetzungen für den Schengen-Raum.“
Mit der Blockade bei der Aufnahme Bulgariens in den Schengen-Raum steht Österreich international relativ isoliert da. Die EU-Abgeordnete der liberalen NEOS Claudia Gamon nannte Nehammers Forderung angesichts einer anstehenden Landtagswahl in Österreich "Showpolitik". Dem Kanzler empfahl sie den Besuch dafür zu nutzen, "seinen Fehler zu beheben und das Veto gegen den Schengen-Beitritt zurücknehmen - und sich lieber für ein gemeinsames, europäisches Asylsystem starkzumachen statt weiter auf irgendwelche Zäune zu pochen".
Verwendete Quellen:
- dpa
- apa
- Gespräch mit Erik Marquardt
- Gespräch mit Dennis Radtke