• Die Stadt Lörrach in Baden-Württemberg hat 40 Mieterinnen und Mietern gekündigt, um Platz für Geflüchtete zu schaffen.
  • Als Ersatz soll den Betroffenen modernere und bezahlbare Wohnungen angeboten werden.
  • Die Ankündigung sorgt für Aufregung: Drohungen, Polizeischutz und ein abgesagtes Mieter-Treffen.

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"Für Sie bedeutet das, dass wir in Kürze mit Ihnen das vereinbarte Mietverhältnis kündigen werden." Diese Nachricht lasen rund 40 Mieterinnen und Mieter, die in Lörrach in der Wölblinstraße wohnen.

Die überraschende Nachricht steckte in einem Schreiben der städtischen Tochtergesellschaft Wohnbau Lörrach, das die Anwohner zu einer Mieterversammlung am 27. Februar einlädt.

Aufgrund des "Zustroms von Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Weltregionen" sei die Stadt Lörrach auf der Suche nach Wohnraum. "Wegen der besonderen Eignung werden wir unsere Liegenschaft Wölblinstraße 21 bis 29 in Lörrach für diesen Zweck zur Verfügung stellen", heißt es in dem Schreiben.

Der Brief an die Mieter sorgt derzeit für Aufregung in den sozialen Medien und wird dort wütend kommentiert. "Ist das ein Fake-Brief?", fragen manche. Andere sprechen von Enteignung.

"Im ersten Moment wird dir der Boden unter den Füßen weggerissen"

Ein Mieter der Wohnbau Lörrach ist besorgt, wie es nun weitergeht. "Im ersten Moment wird dir der Boden unter den Füßen weggerissen", sagte Multner dem SWR am Dienstag. "Das Kritische an der ganzen Sache ist der Prozess." Eine andere Mieterin sagte, sie habe kein Verständnis für den Schritt, aber man müsse damit leben. "Wir bekommen ja andere Wohnungen."

Die Gebäude in der Wölblinstraße bieten Platz für die Unterbringung von etwa 100 Personen. Die Wohnungen stammen aus den 1950er-Jahren, die "am Ende ihres Lebenszyklus stehen und deren Abbruch und Ersatzneubau für die nächsten Jahre" vorgesehen war, informiert die Stadt.

Den Mieterinnen und Mietern sollen zeitnah modernere und bezahlbare Wohnraumangebote "entsprechend der persönlichen Situation" angeboten werden.

"Ich war entsetzt, als ich den Brief gelesen habe", sagt Margarete Kurfeß, die Grünen-Vorsitzende im Lörracher Gemeinderat, dem "Spiegel". Unglücklicher hätte man das "gut gemeinte Anliegen der Stadt" nicht formulieren können, "da fehlte jegliche Sensibilität". Natürlich würden die Mieter nicht auf die Straße gesetzt, weist die Chefin der größten Fraktion im Rat die Spekulationen zurück.

Druck auf die Kommunen löst "verzweifelte Maßnahmen" aus

Der SPD-Landtagsabgeordnete Jonas Hoffmann wies auf die angespannte Lage der Gemeinden hin. Der Druck auf die Kommunen, immer mehr Menschen unterzubringen, löse "verzweifelte Maßnahmen" aus, sagte er in einem am Dienstag verbreiteten Video. "Diese Maßnahme gehört wohl auch dazu."

Erst am Donnerstag vergangener Woche hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu einem Flüchtlingsgipfel eingeladen, um mit Bund, Ländern und Kommunen über die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten zu beraten.

Es sei gängige Praxis, nicht mehr sanierungsfähige Gebäude abzubrechen, teilte eine Sprecherin des Städtetags Baden-Württemberg der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. "In solchen Fällen müssen die Mieter mit einer Kündigung rechnen."

Eilig einberufene Pressekonferenz mit Oberbürgermeister

Falls die Mieterinnen und Mieter dann individuell passende Alternativen bekämen, sei dies ein gutes Signal. "Dass der dadurch frei werdende, aber nur vorübergehend nutzbare Wohnraum zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt wird, ist zurzeit unumgänglich", erklärte die Sprecherin. Das zeige, wie erschöpft die Unterbringungskapazitäten der Städte seien.

Ungeachtet aller Kritik hält Lörrach an der geplanten Umwandlung von alten Mietwohnungen in ein Flüchtlingsheim fest. "Wir haben das mehrfach so gemacht", sagte Oberbürgermeister Jörg Lutz (parteilos) am Mittwoch (22. Februar) auf einer eillig einberufenen Pressekonferenz. Auch Polizisten waren vor Ort, wie der "Focus" berichtet.

"Es waren alle zufrieden", sagt er, laut dpa. Die Gesellschaft sei aber mittlerweile eine andere geworden, gab er zu bedenken. Der Druck auf die Kommunen sei groß: Allein im vergangenen Jahr habe Lörrach 638 geflüchtete Menschen aufgenommen.

Bewohnerversammlung wegen hitziger Stimmung abgesagt

Lutz war erstaunt über das Interesse von Medien und Öffentlichkeit: "Die 30 Wohnungen taugen nun wirklich nicht, den ganz großen Skandal herbeizureden." Er bedauerte, dass Inhalte des Wohnbau-Schreibens aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Es sei viel Staub aufgewirbelt worden.

Wegen der aufgeheizten Stimmung fällt eine für Montag angekündigte Bewohnerversammlung zunächst aus. Lutz und Wohnbau-Geschäftsführer Thomas Nostadt beklagten, dass Mitarbeiter beschimpft und bedroht worden seien. Es habe "Hunderte Hassmails" gegeben.

Verwendete Quellen:

  • swr.de: Lörrachs OB will sich zu Wohnungskündigungen äußern
  • spiegel.de: Lörrach am Limit
  • dpa
  • focus.de: Drohungen, Polizei, abgesagtes Mieter-Treffen - Lage in Lörrach spitzt sich zu