- Wer Gas zum Heizen bezieht, muss künftig eine Gasumlage zahlen. Die Einnahmen sollen an pleitebedrohte Importfirmen fließen.
- Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema im Überblick.
Mit einer milliardenschweren Umlage sollen Gasverbraucherinnen und -verbraucher demnächst wichtigen Importeuren unter die Arme greifen, damit diese nicht in die Insolvenz gehen. Die von der Bundesregierung beschlossene Umlage wird pro verbrauchter Kilowattstunde für Firmen und Haushalte gleichermaßen erhoben. Am Montag wurde die Höhe bekannt gegeben.
Wie hoch wird die Gasumlage sein?
2,419 Cent pro Kilowattstunde werden vom 1. Oktober an als Aufschlag auf den ohnehin drastisch gestiegenen Gaspreis fällig. Die Bundesregierung wollte keine Mehrwertsteuer darauf erheben: Finanzminister Christian Lindner hatte auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten - doch die EU-Kommission hat mittlerweile bekräftigt, dass es keine Ausnahme geben wird. Für diesen Fall hat Wirtschaftsminister
Was bedeutet der Preis konkret?
Für einen Einpersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden bedeutet die Umlage ohne Mehrwertsteuer jährliche Zusatzkosten von rund 121 Euro. Mit wären es rund 144 Euro. Für einen Familienhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden liegen die Mehrkosten bei rund 484 Euro im Jahr. Kommt die Mehrwertsteuer hinzu, sind es 576 Euro.
Ab wann gilt die Gasumlage?
Die Umlage gilt ab Anfang Oktober. Sie werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium. Ankündigungsfristen von vier bis sechs Wochen müssten eingehalten werden. Daher werde die Umlage wahrscheinlich erst im November oder Dezember erstmals auf den Rechnungen ausgewiesen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft rechnet allerdings damit, dass einige Versorger die Umlage schon ab dem 1. Oktober ihren Kunden in Rechnung stellen werden.
Wie lange gilt die Gasumlage?
Die Umlage endet am 1. April 2024. Sie wird laut Wirtschaftsministerium monatlich abgerechnet und kann alle drei Monate angepasst werden. Die Ausgleichszahlungen bekommen die Importeure nur unter bestimmten Bedingungen. Abgerechnet werden können 90 Prozent der Mehrkosten. Noch bis Ende September müssen die Unternehmen alle Mehrkosten selbst tragen. Sollte Russland gar kein Gas mehr liefern, hält Habeck es für wahrscheinlich, dass die Umlage steigt.
Wer hat die Höhe der Gasumlage festgelegt?
Berechnet wurde die Höhe vom Unternehmen "Trading Hub Europe" (THE). Es handelt sich dabei um ein Gemeinschaftsunternehmen der Gasnetzbetreiber, das nicht gewinnorientiert arbeiten darf.
Trotzdem stellt sich die Frage, warum ein privatwirtschaftliches Unternehmen eine staatliche Umlage festlegen darf. Das Bundeswirtschaftsministerium verweist darauf, dass es selbst die Berechnungsverfahren vorgegeben hat und die Bundesnetzagentur die Berechnungen überprüft. Einem Podcast des "Deutschlandfunk" zufolge haben die Gasnetzbetreiber unter anderem Betriebsgeheimnisse geltend gemacht. Sie wollten sich deshalb nicht vom Ministerium in die Daten schauen lassen und die Umlage lieber selbst berechnen.
Warum gibt es die Gasumlage?
Die Einnahmen fließen an Firmen, die in der Vergangenheit günstiges russisches Erdgas nach Deutschland importiert haben. Sie bekommen noch einen Bruchteil der vertraglich zugesicherten Liefermengen. Gleichzeitig haben sie ihren Abnehmern wie Stadtwerken genau dieses Gas versprochen. Um die Versorgung aufrechtzuerhalten, müssen sie kurzfristig Gas an der Börse teuer hinzukaufen.
Die Folge: Bei den Importeuren sind erhebliche Verluste entstanden. Der Fortbestand der Unternehmen kann gefährdet sein. Beim größten Gasimporteur Uniper war die Lage so dramatisch, dass noch vor Einführung der Umlage ein milliardenschweres Rettungspaket nötig wurde. Habeck bezeichnete die Umlage als eine "bittere Medizin". Die Alternative zu den Hilfsmaßnahmen wäre ein Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen.
Russland macht technische Gründe für die niedrigeren Liefermengen verantwortlich. Die Bundesregierung hält dies für vorgeschoben. Habeck sprach am Montag von einer "von russischer Seite verursachten künstlichen Energieknappheit" im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Welche Entlastungen plant die Bundesregierung?
Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte den Bürgern erneut ein weiteres Entlastungspaket zu. "Wir lassen niemanden allein mit den höheren Kosten", schrieb der SPD-Politiker auf Twitter und räumte gleichzeitig ein: "Die Energiepreise steigen weiter." Bisher seien schon staatliche Hilfen über 30 Milliarden Euro beschlossen worden. Habeck sagte, die Bundesregierung habe sich schon auf erste Schritte wie eine Ausweitung des Wohngeldes mit einem Heizkostenzuschuss verständigt. "Ich meine aber, dass weitere zielgenaue Entlastungen nötig sind. In dieser Krise müssen wir den demokratischen Konsens sozialpolitisch absichern."
Welche Unternehmen erhalten die Einnahmen aus der Gasumlage?
Zwölf Gasimporteure haben ihre Ersatzbeschaffungskosten angemeldet. Darunter sind Uniper, VNG und EWE. Anders ist es zum Beispiel bei RWE und Shell: Sie wollen auf eine Kostenerstattung verzichten. Insgesamt haben die zwölf Unternehmen bis Anfang April 2024 zunächst rund 34 Milliarden Euro geltend gemacht, teilweise aufgrund von Schätzungen. Wirtschaftsprüfer und die Bundesnetzagentur sollen darauf achten, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Müssen auch Kunden mit Festverträgen und Fernwärme-Kunden die Umlage zahlen?
Das ist noch nicht ganz klar und wird geprüft. Gegebenenfalls wird es noch Gesetzesänderungen geben. Habeck wies darauf hin, dass es auch viele Festverträge mit einer Preisanpassungsmöglichkeit für staatliche Abgaben gibt.
Neben der Beschaffungsumlage kommt im Herbst noch eine Gasspeicherumlage. Diese soll die Kosten ersetzen, die für die Extra-Einspeicherung von Erdgas zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit im Winter entstehen. Das Wirtschaftsministerium geht aber nicht davon aus, dass diese Umlage eine "relevante Größe" erreichen wird.
Was bedeutet die Gasumlage für die Inflation?
Die Gasumlage wird nach Ansicht von Ökonomen zu einer Steigerung der Inflationsrate führen. So hält das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung eine Inflationsrate im vierten Quartal um die zehn Prozent für möglich. Experten der Commerzbank gehen von einer Steigerung der Teuerung bis Jahresende auf deutlich über neun Prozent aus. (dpa/fab)
Verwendete Quellen:
- dpa
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Pressemitteilung: Sicherung der Energie- und Wärmeversorgung: Höhe der Gas-Umlage steht fest - Bundesminister Habeck: "Die Umlage muss und wird mit gezielten Entlastungen einhergehen."
- Deutschlandfunk.de: Der Tag - Blackbox Gasumlage
- Trading Hub Europe: Pressemitteilung Gasbeschaffungsumlage ab Oktober 2022