Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" ein. Erste Stimmen aus den anderen Parteien begrüßen die Entscheidung. Die AfD kritisiert die Einschätzung.

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Bundeskanzler Olaf Scholz warnt trotz der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch vor einem voreiligen Verbotsverfahren. "Ich finde, das ist eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf", sagte der scheidende Bundeskanzler beim Kirchentag in Hannover. Das Bundesverfassungsgericht habe alle Verbotsanträge der letzten Zeit abgelehnt. "Ich bin gegen einen Schnellschuss und werde deshalb auch nicht sagen, so sollten wir es machen."

Die Einstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sei sehr sorgfältig vorbereitet. "Die vielen Seiten müssen jetzt auch mal von vielen gelesen werden", sagte Scholz.

SPD-Vize Midyatli für Verbotsverfahren

Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Serpil Midyatli hatte zuvor ein AfD-Verbotsverfahren gefordert.

"Jetzt haben wir schwarz auf weiß, was wir schon vorher wussten: Wo Rechtsextremisten drin sind, steht es jetzt auch drauf", sagte Midyatli. "Für mich ist klar: Das Verbot muss kommen." Das ganze Verfahren müsse weiter in der nötigen Sorgfalt, belastbar und ohne Fehler vorbereitet werden.

SPD will "Antwort des Rechtsstaates" auf AfD

"Für mich bestätigt sich einmal mehr, dass Vertreter der AfD im Bundestag für Ämter nicht wählbar sind und Demokratinnen und Demokraten nicht repräsentieren können", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, der Deutschen Presse-Agentur. Die SPD im Bundestag trete für eine "klare, gemeinsame Antwort des Rechtsstaates" auf die Einstufung der AfD als rechtsextremistisch ein.

"Das umfassende und unabhängige Gutachten untermauert das mit belastbaren Beweisen", sagte Mast zu der Expertise des Bundesamts, auf dem die Entscheidung fußt. "Mit unseren Koalitionspartnern stimmen wir uns zum weiteren Umgang mit der AfD ab", sagte Mast mit Blick auf CDU und CSU.

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AfD-Vize: Entscheidung des Verfassungsschutzes "Blödsinn"

Derweil kritisierte der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner die Einstufung seiner Partei durch den Verfassungsschutz scharf. "Diese Entscheidung des weisungsgebundenen Verfassungsschutzes ist inhaltlich völliger Blödsinn, hat mit Recht und Gesetz überhaupt nichts zu tun und ist eine rein politische im Kampf der Kartellparteien gegen die AfD", sagte der Bundestagsabgeordnete. Als "unfaire Kampfmaßnahme gegen die einzige Oppositionskraft" sei sie allerdings erwartbar gewesen.

Als "unsouverän" bezeichnete Brandner gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass die Neubewertung noch unter der geschäftsführenden Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgenommen wurde. Sie wird ihr Amt in der kommenden Woche an ihren designierten Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) übergeben.

Faeser: Kein politischer Einfluss auf Neubewertung

Faeser betonte, der Verfassungsschutz habe seine Entscheidung selbst getroffen. "Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat einen klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen und unsere Demokratie zu schützen", sagte sie laut einer Mitteilung.

Dabei arbeite die Sicherheitsbehörde eigenständig. Die neue Einstufung sei das Ergebnis einer umfassenden Prüfung, deren Ergebnisse in einem 1.100-seitigen Gutachten festgehalten seien. "Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben", versicherte Faeser.

Die vorherige Bewertung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall sei von Gerichten bestätigt worden. Auch die neue Bewertung werde sicher von unabhängigen Gerichten überprüft werden.

Der Verfassungsschutz hat seine neue Bewertung vor allem mit einem in der Partei vorherrschenden Volksbegriff begründet, der nicht die Staatsangehörigkeit in den Mittelpunkt stelle, sondern die Abstammung.

Klingbeil: Schnelle Entscheidung nach gründlicher Prüfung

Die SPD dringt auf schnelle Entscheidungen über mögliche Konsequenzen aus der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch - allerdings erst nach einer gründlichen Prüfung. "Wir haben als diejenigen, die die politischen Entscheidungen treffen, jetzt auch die Verantwortung, unsere Demokratie vor den Feinden der Demokratie zu schützen", sagte Klingbeil der "Bild"-Zeitung mit Blick auf die bevorstehende schwarz-rote Koalition. "Und da müssen wir sehr schnell in der neuen Regierung, in der Koalition, Entscheidungen treffen, was daraus folgt."

Ein Verbotsverfahren könne eine Möglichkeit sei. "Aber mir geht es nicht darum, eine schnelle Schlagzeile nach diesem Gutachten zu produzieren", sagte der SPD-Chef unter Verweis auf das umfangreiche Gutachten, das der Neueinstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zugrunde liegt. Allerdings könne es sein, "dass irgendwann der klare Auftrag auch von den unabhängigen Behörden da ist, zu sagen, jetzt müsst ihr handeln, liebe Politik", so der SPD-Chef mit Blick auf die Sicherheitsbehörden. "Das müssen wir auswerten, ob dieses Gutachten dafür einen Hinweis hat."

Bremens SPD-Regierungschef Andreas Bovenschulte sagte an die Adresse der künftigen schwarz-roten Koalition in Berlin: "Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie alle vorliegenden Erkenntnisse zusammenträgt und in Abstimmung mit den Ländern ein Verbotsverfahren vorantreibt."

Grünen-Politiker: Einstufung der AfD "nur konsequent"

Führende Politiker der Grünen-Bundestagsfraktion begrüßten Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Sie sei auch ein "wichtiger Baustein mit Blick auf die Frage, wie es um die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens bestellt ist", teilten Konstantin von Notz und Irene Mihalic in Berlin mit.

"Die Partei steht nicht nur in weiten Teilen, sondern in Gänze mit unserer Verfassung und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf Kriegsfuß. Über Jahre konnte man ihrer weiter voranschreitenden Radikalisierung zusehen. Sie geht unaufhörlich weiter", erklärten die beiden Politiker.

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"Die heutige Entscheidung ist auch ein deutlicher Wink in Richtung derjenigen, die zuletzt für eine Normalisierung der Partei plädierten", erklärten die beiden - offenkundig mit Bezug auf Stimmen aus der Union. Von Notz ist Fraktionsvize sowie Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Mihalic ist Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hatte unlängst eine heftige Kontroverse ausgelöst mit dem Vorschlag, mit der AfD bei organisatorischen Fragen im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien.

Söder: Einstufung ein "finaler Weckruf"

CSU-Parteichef Markus Söder bezeichnete die Einstufung als "finaler Weckruf".

"Die AfD ist insgesamt rechtsextremistisch", sagte Söder. "Damit ist klar: Für Feinde der Demokratie kann es null Toleranz geben. Die Brandmauer steht weiterhin", fügte er hinzu. Die CSU fahre einen klaren Kurs. Seine Partei wolle die AfD weiter inhaltlich stellen und durch gutes Regieren entlarven.

Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) fordert deutliche Konsequenzen

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hält praktische Konsequenzen aus der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch für nötig. "Aus der Einstufung der AfD sollte etwa folgen, dass der Staat disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen Beamte ergreift, die für die Partei eintreten. Zudem sind AfD-Mitgliedern nach dem Waffengesetz ihre Waffen zu entziehen", erklärte der DIMR-Experte Hendrik Cremer in Berlin.

Er forderte, auch Journalisten sollten ihre Vorgehensweise mit der Partei überdenken. "Nicht zuletzt müssen große Teile der Medien ihren Umgang mit der AfD und ihre Berichterstattung grundsätzlich hinterfragen. Die Gefahr, die von der AfD ausgeht, muss viel deutlicher werden", so Cremer.

Günther fordert Verbotsverfahren

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch ein Verbotsverfahren gefordert und sieht dafür nun Bundesregierung und Bundestag am Zuge. "Der Bund muss jetzt zügig ein Verbotsverfahren einleiten, um unsere Demokratie zu schützen", sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Die AfD lasse "schon lange keinen Zweifel an ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung". Die Einstufung des Verfassungsschutzes sei daher "keine Überraschung, aber sie bringt Klarheit".

Günther sagte dem Magazin, die AfD sei eine Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und gefährde den gesellschaftlichen Frieden. Die Einstufung im Bund als gesichert rechtsextremistisch führe "hoffentlich auch ihren Wählern vor Augen, wie gefährlich diese Partei ist".

CDU-Sozialflügel strikt für AfD-Verbot

Der Arbeitnehmerflügel der CDU fordert "ein sofortiges Verbotsverfahren der AfD". Der geschäftsführende Vorstand der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) hob hervor: "Der Verfassungsschutz stellt jetzt endlich klar, was längst Gewissheit war: Die AfD ist eine verfassungsfeindliche Partei. Sie will unsere Demokratie zerstören und spaltet unsere Gesellschaft." So dürfe es keine staatliche Finanzierung für die AfD geben. "Das Urteil des Verfassungsschutzes liefert die notwendige Grundlage für ein Verbotsverfahren." Allein mit besserer Politik werde es extrem schwer, dagegenzuhalten, so der CDA-Vorstand in einer Stellungnahme, über die zuerst der "Stern" berichtete. Sie liegt auch der Deutschen Presse-Agentur vor.

Rechtspolitiker warnt vor AfD-Opferrolle

Der Unionsrechtsexperte Günter Krings (CDU) sagte hingegen: "Es gibt keinen Automatismus." Die Entscheidung bleibe politisch, sagte Krings der "Welt am Sonntag". "Und dabei müssen wir berücksichtigen, dass die AfD sich dann noch stärker als Opfer inszenieren würde und davon profitieren könnte." Die neue Bundesregierung müsse sich stattdessen auf konkrete Fortschritte bei Sicherheit, Migration und wirtschaftlichem Wachstum konzentrieren. "Nur damit graben wir der AfD dauerhaft das Wasser ab."

Zentralrat der Juden: AfD nie in staatstragende Funktionen

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert "mehr Klarheit im Umgang mit der AfD". Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sei keine Überraschung. "Dieser Schritt ist aber umso wichtiger für alle, die bisher noch naiv auf diese Partei blicken", sagte Schuster.

Sie müssten nun umdenken. "Niemals dürfen Vertreter der AfD – sei es über wichtige Positionen in Ausschüssen oder Ähnlichem – in staatstragende Funktionen gelangen oder sogar Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen bekommen", so der Zentralratspräsident laut einer Mitteilung. "Wer hätte sich vorstellen können, dass im Jahr 2025 eine gesichert rechtsextreme Partei fast ein Viertel der Abgeordneten im Deutschen Bundestag stellt?"

Medwedew kritisiert Einstufung

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew hat die Einstufung der Alternative für Deutschland (AfD) als gesichert rechtsextremistisch kritisiert. Das seien "starke Worte" gegen eine Partei, die in Parlamenten vertreten sei, schrieb er auf Englisch im sozialen Netzwerk X.

"Anscheinend halten CDU/CSU, die SPD und andere deutsche Kleinparteien alles für extremistisch, was bessere Umfragewerte hat als sie", schrieb der jetzige Vizechef des russischen Sicherheitsrates.

AfD kündigt rechtliche Schritte an

Die AfD werde sich "gegen diese demokratiegefährdenden Diffamierungen weiter juristisch zur Wehr setzen", erklärten die Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla am Freitag. Die Entscheidung des Verfassungsschutzes sei "ein schwerer Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie". (dpa/afp/bearbeitet von ng)