• Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay hat einen Deal mit der Letzten Generation abgeschlossen.
  • Die Gruppe hört in Hannover auf mit ihren Störaktionen – dafür setzt sich die Stadt in Berlin für ihre Anliegen ein.
  • Andere Stadtoberhäupter sehen im Ultimatum "Epressung" oder "Nötigung".

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Menschen mit orangenen Westen, die sich mitten im Berufsverkehr auf die Straße kleben oder sogar zeitweise den Flugbetrieb stoppen. Wutentbrannte Autofahrer, die die Aktivisten von der Straße zerren oder sogar anfahren: Diese Bilder sollen in Hannover der Vergangenheit angehören.

Die Gruppe Letzte Generation ist nach einem Klima-Hungerstreik in Berlin entstanden und fordert mehr Maßnahmen für den Klimaschutz. Seit Anfang 2022 blockieren ihre Aktivistinnen und Aktivisten immer wieder Autobahnausfahrten und andere Straßen in vielen Städten. Ihr Anliegen: Auf die existenzbedrohende Klimakrise aufmerksam machen.

Aktivisten verschickten Ultimatum an Politiker

"Da war richtig schlechte Luft, schlechte Stimmung bei vielen Leuten", sagt Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) im Gespräch mit unserer Redaktion. Anfang Februar hatte die Letzte Generation wieder deutschlandweit Störaktionen angekündigt. In einem offenen Brief, der unter anderem auch an Onay adressiert war, stellten sie Politikerinnen und Politikern ein Ultimatum: Wenn die jeweilige Regierung auf ihre Forderungen eingeht, stoppen sie ihre Aktionen.

"Ich habe deutlich gemacht, dass wir mit Ultimaten und unter Druck nicht zusammenkommen", sagt Onay. Trotzdem, war er bereit, sich mit den Aktivisten an einen Tisch zu setzen und auszutauschen.

Die Gruppe hört in Hannover auf mit ihren Aktionen – und im Gegenzug setzt sich der Oberbürgermeister in Berlin für ihre Anliegen ein. Denn die Form des Protests hält er für nicht zielführend. Mehr für den Klimaschutz zu tun und Maßnahmen wirklich umzusetzen, hält er allerdings durchaus für richtig.

Forderungen: Tempolimit, 9-Euro-Ticket und ein Gesellschaftsrats

Tempolimit, Nachfolgeregelung zum 9-Euro-Ticket und die Einführung eines Gesellschaftsrats - diese Forderungen der Letzten Generation schickte der Oberbürgermeister in einem Brief an die Bundestagsfraktionsvorsitzenden, mit Ausnahme der AfD. Der Gesellschaftsrat soll aus zufällig ausgelosten Bürgerinnen und Bürgern bestehen, die sich zum Thema Klimaneutralität austauschen und Beschlüsse befassen, die dem Bundestag vorgelegt werden.

"Ich kann alles im Großen und Ganzen befürworten. Mit einer Einschränkung", sagt Onay. Der Gesellschaftsrat solle nicht mit der Gesetzgebungskompetenz des Bundestags konkurrieren. Das hatten die Aktivisten gefordert.

"Starkes Signal" statt Erpressung

"Das geht verfassungsrechtlich nicht und ist politisch nicht erstrebenswert. Ich vertraue dem Bundestag und dem parlamentarischen System." Trotzdem findet er die Frage wichtig, wie man die breite Bevölkerung mehr für den Klimaschutz einbinden könne. Die Gesellschaft könne durch einen solchen Rat die Politik zum Handeln antreiben.

Hat sich der Oberbürgermeister von der Letzten Generation erpressen lassen? "Nein. Ich handele ja nicht gegen meine Überzeugungen oder zum Schaden der Stadt. Neben der Einschränkung beim Gesellschaftsrat stehe ich voll und ganz hinter allen Forderungen", sagt Onay. Für den Grünen-Politiker sei es ein "leichter Schritt" und ein "starkes Signal" nach Berlin gewesen.

"Klima-RAF": Oberbürgermeister findet Wortwahl "völlig überdreht"

In der Hauptstadt erregten die Klimaaktivisten gerade wieder bundesweit Aufmerksamkeit: Sie verschmutzten ein Denkmal zum Grundgesetz. Das sorgte für Wirbel und Empörung. "Ich finde die Störaktionen nicht gut, weil es vom eigentlichen Kernanliegen wegführt", sagt Hannovers Oberbürgermeister. Trotzdem sei die Wortwahl einiger Kollegen "völlig überdreht"; einige Politiker sprachen von der "Klima-RAF". Runter von der Straße, rein in den politischen Diskurs – das sei in Hannover gelungen. "Mit unseren gemeinsamen Gesprächen haben wir eine Brücke gebaut und Frieden geschaffen."

Möglichweise hat das auch mit dem Sofortprogramm "Klimaschutz Hannover 2035" zu tun. Die Stadt soll mit Hilfe von 53 Maßnahmen bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden. Zu den Maßnahmen gehören eine autofreie Innenstadt, mehr ÖPNV, bessere Radstrecken, Tempo 30 und der Ausstieg aus dem letzten Kohlekraftwerk der Stadt - bis 2026. "Dadurch hatten wir sicher einen Vertrauensvorschuss bei den Klimaaktivisten."

Auch Marburg und Tübingen schlossen Klima-Pakt

Nach dem Deal in Hannover schlossen auch Marburg und Tübingen einen Pakt mit den Aktivisten. Ist die Hauptstadt Niedersachsens also ein Vorbild im Umgang mit der Letzten Generation? "Jede Stadt muss selbst entscheiden, wie sie mit der Situation umgeht. Unser Tun kann aber eine Inspiration für andere sein", sagt Onay.

In München ist solch ein Friedensschluss noch nicht zustande gekommen, wie das Kreisverwaltungsreferat dem "Merkur" mitteilte. Dort seien die Klimakleber auch gar nicht bereit gewesen, ernsthaft ins Gespräch mit den Verantwortlichen zu gehen, hätten sie doch im Dezember nach weiteren Protestankündigungen das Angebot abgelehnt, etwas ausführlicher zu reden.

Hamburgs OB sieht in Ultimatum Nötigung

Auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat Verhandlungen und ein Abkommen mit der Klimaschutzgruppe Letzte Generation abgelehnt. "Wer meint, für mehr Klimaschutz einzutreten, indem er Bäume fällt, den Flugverkehr gefährdet oder wichtige Straßen durch Ankleben blockiert, ist für uns kein potenzieller Verhandlungspartner", sagte Giffey gegenüber "T-Online".

Als Reaktion auf das Ultimatum informierte der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sogar den Staatsschutz, schreibt die Taz. Nun prüft die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der versuchten Nötigung von Verfassungsorganen.

CDU Hannover kritisiert den Deal

"Oberbürgermeister Onay hofiert Klimachaoten und sendet damit ein verheerendes Signal aus", schreibt der Vorsitzende der CDU Hannover, Maximilian Oppelt, auf der Internetseite der Partei. Er kritisiert den Umgang von Belit Onay (Grüne) mit der "Letzten Generation".

Es sei unverantwortlich, dass Belit Onay an einem Tag, an dem die Letzte Generation erneut "Straftaten begehe", indem sie die Sitzung der Regionsversammlung störe, Straßen blockiere und am Vortag für das "Aufhalten eines Rettungswagens verantwortlich" gewesen sei, diese Gruppe mit einem persönlichen Gespräch im Rathaus "hofiert" und Teile ihrer Forderungen erfülle.

Der Oberbürgermeister will sich dagegen weiter mit der Letzten Generation und den anderen Klima- und Umweltschutzinitiativen austauschen. Wird sich nun in der Landeshauptstadt nie wieder jemand auf die Straße kleben? "Ich habe sehr deutlich gemacht, dass Störaktionen nicht mehr stattfinden", sagt Oberbürgermeister Onay. Bislang sind sie in der Tat ausgeblieben.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne)
  • merkur.de: Bürgermeister schließen Deal mit Klima-Klebern - Aktivisten über den Tisch gezogen?
  • Taz.de: Mit harter Hand gegen Klima-Kleber
  • cdu-hannover-stadt.de: "OB Onay hofiert Klimachaoten und sendet damit verheerendes Signal aus"
  • t-online: Giffey lehnt Deal wie in Hannover ab
Über die Person: Belit Nejat Onay ist als Politiker für Bündnis 90/Die Grünen tätig. Seit November 2019 ist er Oberbürgermeister der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover.

Deal mit Bürgermeister: "Letzte Generation" stellt Protestaktionen in Hannover dauerhaft ein

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