Viele Kommunen können die Versorgung von Flüchtlingen kaum noch stemmen. Beim Bund-Länder-Gipfel zu den Finanzierungskosten geht es daher um viel Geld - aber auch um Grundsätzliches in der deutschen Migrationspolitik.
Bund und Länder suchen an diesem Mittwoch bei einem Spitzentreffen in Berlin nach Lösungen im Streit über die Aufteilung der Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen. Weil insbesondere die Städte und Gemeinden unter der finanziellen Last ächzen, fordern die Länder einen höheren Anteil des Bundes.
Dieser will aber nicht mehr Geld als vorgesehen zuschießen, weil er sich aus seiner Sicht bereits überproportional an den Kosten beteiligt. Eine Einigung bei dem Treffen der Länderchefs mit Bundeskanzler
In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden 101.981 Asylerstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entgegengenommen - ein Plus von 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Viele Kommunen sehen sich an der Belastungsgrenze. Städte und Gemeinde sitzen nicht direkt mit am Tisch, die Länder sehen sich als deren Interessensvertreter.
Kommunalverbände fordern deutlich mehr Hilfe vom Bund
Die Kommunalverbände fordern vom Gipfel einerseits mehr Geld vom Bund, andererseits aber auch Schritte zur Begrenzung der Zuwanderung. "Wir müssen zu einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen kommen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, dem Nachrichtenportal "t-online". Der Bund müsse darauf mit allen Mitteln hinwirken.
Der Bund solle die Kosten der Unterkunft von Flüchtlingen dauerhaft und vollständig übernehmen sowie Pauschalen für Asylbewerber, Integrationskosten und unbegleitete Minderjährige wie in den Jahren 2015/2016 wieder einführen. Landsberg mahnte zugleich: "Das Zuständigkeits- und Finanzierungsbingo zwischen Bund und Ländern muss ein Ende haben."
Auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, forderte, der Bund müsse flüchtlingsbedingte Kosten der Unterkunft wieder vollständig übernehmen. Zudem müssten ausreisepflichtige Asylsuchende ohne Bleibeperspektive "konsequent rückgeführt werden", sagte Lewe dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, mahnte bei "t-online": "Es geht in erster Linie um Begrenzung der Zuwanderung, aber in zweiter Linie eben auch um ausreichende finanzielle Mittel für die Kommunen."
Lindner wehrt sich gegen weitere finanzielle Unterstützung
Für eine stärkere Unterstützung der Kommunen hatten sich vor dem Bund-Länder-Treffen auch die Grünen stark gemacht. "Es wird Geld brauchen, um den Knoten zu durchschlagen", sagte Parteichef
Bundesfinanzminister
Die Forderungen nach Änderungen in der Zuwanderungspolitik teilt der Finanzminister aber. Deutschland habe seit Jahren nicht die Kontrolle bei der Migration, die es brauche. "Wir haben es zu lange den Menschen schwer gemacht, nach Deutschland zu kommen, die wir brauchen als kluge Köpfe und fleißige Hände. Und zu lange schon machen wir den Menschen es leicht zu bleiben, die eigentlich verpflichtet sind auszureisen, weil sie irregulär nach Deutschland eingereist sind. Und das muss sich ändern." An die Bundesländer appellierte er, mehr auf Sachleistungen statt Geld für Asylbewerber zu setzen.
Der Paritätische Gesamtverband kritisierte den Kostenstreit scharf. "Auf den Rücken von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, zu feilschen, ist in einem reichen Land ein unwürdiges Schauspiel", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Mittwoch). Schneider bezeichnete eine gute finanzielle Ausstattung der Flüchtlingsarbeit als ein "Gebot der Humanität".
Durchbruch beim Flüchtlingsgipfel? Länder haben Zweifel
Die Bundesländer gehen mit einer einstimmig verabschiedeten Beratungsgrundlage in die Gespräche mit Scholz. "Der Kanzler muss das Thema zur Chefsache machen, Verantwortung übernehmen und Führung zeigen", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dem "Tagesspiegel" (Mittwoch). "Wer über die Steuerung des Zuzugs entscheidet, muss für seine Entscheidungen auch die finanzielle Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen tragen." Der Bund dürfe seine Verantwortung nicht länger nach unten auf die Städte, Kreise und Gemeinden abschieben.
Einen Durchbruch erwartet auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nicht. "Das ist ein richtig grundsätzlicher Konflikt und da habe ich ehrlich gesagt leider nicht die ganz große Hoffnung, dass wir uns in diesem Grundsatzthema heute einig werden", sagte er am Mittwochmorgen im rbb24-Inforadio. Es gebe aber die Möglichkeit, zu einer "Zwischenlösung" für dieses Jahr zu kommen.
Ähnlich äußerte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er gehe mit einem "sehr schlechten Gefühl" in das Treffen, wie er dem Radiosender Bayern 2 sagte. Bislang nehme der Bund die Lage in den Ländern nicht richtig wahr.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) appellierte an die Gemeinsamkeit von Bund und Ländern. "Wir müssen die Probleme im Schulterschluss lösen und dazu muss sich jeder und jede fragen, wo man zu- und abgeben kann", sagte sie der "Rheinischen Post" (Mittwoch). "Wir wissen alle, wozu es führt, wenn die Fragen zur Flüchtlingsunterbringung eskalieren. Daran kann niemand ein Interesse haben."
Auch Kanzler Scholz hatte am Dienstag von einer "großen gemeinsamen Aufgabe in einem erfolgreichen föderalen Staat" gesprochen und für eine Einigung geworben. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese zeigte sich im Vorfeld des Gipfels kompromissbereit. "Wir wollen gemeinsam ein Ergebnis erzielen mit der Bundesebene, mit den 16 Bundesländern, gerade für die Kommunen, um Entlastungen hinzubekommen", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". Man werde bei dem Bund-Länder-Treffen alles für einen "tragfähigen Kompromiss" tun. (dpa/thp)

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