• Der Journalist Seymour Hersh behauptet, die USA hätten die Nord-Stream-Pipelines gesprengt.
  • Der Investigativreporter berichtete über eine CIA-Operation, in der US-Marinetaucher mithilfe Norwegens Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht haben sollen.
  • Als "völlig falsch" und als "eine vollkommene Erfindung" lehnt das Weiße Haus den Artikel vehement ab.
  • Hersh liefert nicht zum ersten Mal Stoff für Verschwörungsmythen.

Mehr aktuelle News

Diese Geschichte ist für den russischen Propagandasender Russia Today ein gefundenes Fressen, denn sie enthält Sprengstoff – buchstäblich und politisch. Der kremltreue Kanal twitterte: "Der amerikanische investigative Journalist und ehemalige 'NYT'-Autor Seymour Hersh hat einen explosiven Artikel darüber veröffentlicht, wer hinter der mysteriösen Explosion steckt, die die russische Nord-Stream-Gaspipeline zerstörte."

Im September 2022 wurden die beiden Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee gesprengt. Bislang ist unklar, wer dahintersteckt.

Auf seinem Blog hatte Hersh zuvor berichtet: "Im vergangenen Juni platzierten Taucher der Marine (...) den ferngezündeten Sprengstoff, der drei Monate später drei der vier Nord-Stream-Pipelines zerstörte, so eine Quelle mit direkter Kenntnis der operativen Planung."

Hersh: Das Weiße Haus hat die verdeckte Operation angeordnet

Das Weiße Haus habe die verdeckte Operation angeordnet und die CIA sei für die Planung zuständig gewesen. Mithilfe Norwegens seien die Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht und im September ferngezündet worden.

Präsident Joe Biden habe mit der Geheimoperation verhindern wollen, dass Russland weiter Milliarden mit dem Export von Erdgas verdiene, schreibt der Gewinner des renommierten Pulitzer-Preises weiter.

Die USA hätten die Pipelines auch als Druckmittel des Kreml gegenüber Deutschland und Westeuropa angesehen, das einen Beistand des Westens für die Ukraine schwächen könnte. Die Idee für eine Zerstörung der Pipelines soll demnach schon im Dezember 2021 entstanden sein.

"Diese Behauptung ist völlig und vollkommen falsch"

Das Weiße Haus wies den Bericht des bekannten Investigativreporters umgehend zurück. "Das ist völlig falsch und eine vollkommene Erfindung", erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Adrienne Watson, am Mittwoch. Ein Sprecher des Auslandsgeheimdienstes CIA erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: "Diese Behauptung ist völlig und vollkommen falsch."

Wie die US-Regierung erklärte auch das norwegische Außenministerium am Mittwoch, der Bericht sei falsch.

Bericht bezieht sich auf eine anonyme Quelle

Hersh, eine 85-jährige Reporterlegende, beruft sich in seinem Bericht auf eine einzige Quelle, "mit direkter Kenntnis der operativen Planung". Den Bericht veröffentlichte er auf seinem Blog und nicht in einem großen US-Medium.

Hintergrund sind die vier Explosionen in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee, die im September mehrere Lecks in die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 rissen.

Die Pipelines waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber Gas. Nach Angaben Schwedens steckt Sabotage hinter dem Vorfall, da Sprengstoffreste gefunden wurden.

Der Verdacht richtete sich gegen Russland, Moskau wies aber jede Verantwortung von sich. Dafür gebe es bislang auch keine Beweise, wie vor wenigen Tagen Generalbundesanwalt Peter Frank in einem Interview sagte.

Russland gibt USA die Schuld für die Sabotage

Russland wiederum hatte bereits kurz nach den Detonationen angedeutet, die USA könnte für die Explosionen verantwortlich sein. "Der US-Präsident muss auf die Frage antworten, ob die USA ihre Drohung umgesetzt haben", erklärte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums damals.

Grundlage waren Äußerungen von US-Präsident Joe Biden vom Februar 2022 bei einem Washington-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Biden hatte mehrere Wochen vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewarnt: Sollte Russland im Nachbarland einmarschieren, "dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben". Das "verspreche" er, betonte der Präsident, ohne nähere Angaben zu machen. "Wir werden dem ein Ende bereiten."

Damals stand die Frage im Raum, ob die USA mit Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG versuchen könnten, eine Inbetriebnahme der Pipeline zu verhindern.

Es war dann die Bundesregierung, die Nord Stream 2 ein Ende setzte: Kurz vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine legte Berlin das Projekt auf Eis. Scholz reagierte damit auf die Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatisten-Gebiete in der Ostukraine durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Enthüllungsjournalist fällt immer mehr mit kruden Thesen auf

Nun schlägt Hersh in der Sabotage-Geschichte ein neues Kapitel auf. Als Journalist ist er seit den 60er-Jahren eine Legende im Enthüllungsjournalismus, wenn auch eine umstrittene. Das Massaker von My Lai im Vietnamkrieg hat er ebenso aufgedeckt wie die US-Folter im irakischen Gefängnis Abu Ghraib. Lange Zeit schrieb er für die "New York Times" und zuletzt bis 2015 für das renommierte Magazin "New Yorker".

Ein überwiegend positives Bild lieferte die Süddeutsche Zeitung 2019 mit ihrem Porträt "Ein begnadeter Einzelkämpfer". Hersh habe vielleicht nicht die Welt verändert, aber doch ihr Bewusstsein mehr als jeder andere Journalist. "Über Jahrzehnte war er der bedeutendste Reporter", so die SZ.

In den vergangenen Jahren veröffentlichte Hersh aber auch Texte, die heftig kritisiert wurden. So stellte er 2013 infrage, dass die syrische Regierung für einen tödlichen Giftgaseinsatz verantwortlich war. Ebenso sei die Tötung Osama bin Ladens ganz anders abgelaufen, als es der damalige US-Präsident Obama verkündete. Die Beweise waren auch hier mehr als dürftig. "Nein, ich habe kein Dokument, das das alles belegt", sagte er der "Zeit".

Verwendete Quellen:

  • afp
  • t-online.de: Ex-CIA-Chef in Moskau: "Das ist einfach traurig"
  • zeit.de: Allein gegen Obama
  • sz.de: Ein begnadeter Einzelkämpfer
Nord-Stream-Lecks

Staatsanwaltschaft: Nord-Stream-Lecks waren kein Versehen

Ende September sind insgesamt vier Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden. Wie sich nun herausstellt, soll es eine Sabotage der Pipelines gegeben haben.