Sieben Wochen nach der Berlin-Wahl 2023 stellen CDU und SPD ihren Koalitionsvertrag am Montag vor. Die Verhandlungen hatten gut drei Wochen gedauert und verliefen offenbar harmonisch – verglichen mit den Streitigkeiten in der Regierungskoalition. Kai Wegner und Franziska Giffey sowie die Spitzen beider Parteien lobten mehrmals die aus ihrer Sicht gute und konstruktive Atmosphäre. Schwerpunkte des Vertrags sind etwa bezahlbares Wohnen, der Ausbau des Nahverkehrs und bessere Bildungschancen.
Man habe 25 Tage "immer fair und auf Augenhöhe" verhandelt, ohne die "ganz langen Nachtsitzungen", sagte der zukünftige Regierende Bürgermeister
Trotzdem bleibe Berlin Berlin, wie es in der Präambel des 135 Seiten umfassenden Koalitionsvertrags heißt, der in 24 Kapitel unterteilt ist. "Aber wir wollen Dinge zum Besseren verändern. Wir verbinden die einzigartige Vielfalt der Stadt mit Chancen für alle. Wir schaffen neuen Zusammenhalt und mehr Gemeinsamkeit."
Kai Wegner: "Wir wollen anpacken, nicht ideologisch, sondern pragmatisch"
Wegner nannte als Erstes die Mobilitätswende, die mit Angeboten und nicht mit Verboten gelingen solle, beispielsweise durch einen Ausbau des ÖPNVs sowie einer Verbesserung der Taktzeiten. Gleichermaßen wisse er, dass viele aufs Auto angewiesen seien und für diese Menschen ein "freiwilliger Umstieg" auf Bus und Bahn angeboten werden müsse. Außerdem soll es einen Schub bei der Ladeinfrastruktur für Elektro-Autos geben. "Wir wollen anpacken, nicht ideologisch, sondern pragmatisch", sagte er.
Berlin soll wieder versöhnt werden. Das Miteinander ist die neue Überschrift des kommenden Berliner Senats, unter der alles laufen soll. Und es soll moderner und schneller werden.
Digitalisierung sei in der Verwaltung eines der Hauptziele, sagte Wegner. Es gehe darum, die Digitalisierung voranzutreiben, auch um bei Entscheidungen schneller zu werden. Nötig seien auch klare Zuständigkeiten zwischen Land und Bezirken. Bei der Bezahlung soll durch ein Stufenmodell innerhalb von fünf Jahren Bundesniveau erreicht werden.

Kitaplätze sollen in Berlin gebührenfrei bleiben
Im Bereich Bildung will die schwarz-rote Koalition Chancen für alle Kinder schaffen und für mehr "Qualität in allen Einrichtungen" sorgen, zum Beispiel durch mehr Sprachförderung in den Kitas. Kitaplätze sollen in Berlin gebührenfrei bleiben. Das gelte auch für die kostenfreie ÖPNV-Nutzung für Schülerinnen und Schüler und das kostenlose Schulessen.
Nötig sei außerdem eine Ausbildungsoffensive und möglicherweise auch eine Ausbildungsumlage.
"Wir sind eine bunte und vielfältige Metropole. Jeder soll nach seiner Façon glücklich werden", sagte Wegner. Damit das so bleibe, brauche es ein sicheres Fundament. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte sollten nicht nur mehr "Vertrauen und Wertschätzung" erhalten, sondern auch mit moderner Technik ausgestattet werden.
Im vertrauensvollen "Du" übergab Wegner das Wort an die noch amtierende Regierende Bürgermeisterin
Die großen Zukunftsfragen sind Klimaschutz und bezahlbares Wohnen
Die großen Zukunftsfragen für die bald Vier-Millionen-Einwohner-Stadt Berlin seien der Klimaschutz und die des bezahlbaren Wohnens. Dafür ist etwa ein Ankaufprogramm für 15.000 landeseigene Wohnungen vorgesehen. Auch brauche es beschleunigte Wohnungsbauprozesse, bei dem Genehmigungsverfahren "entschlackt" werden. Letzteres soll mithilfe des "Schneller-Bauen-Gesetzes" erreicht werden, das Förderbestimmungen erleichtern soll.
Ebenfalls für sehr wichtig hält der SPD-Parteichef Raed Saleh die Bezahlbarkeit der Stadt. "Wir haben uns auf das Gute verständigt, darauf, es besser zu machen." Niemand wünsche sich Verhältnisse wie in London und Paris. Es dürfe nicht sein, dass Menschen aus der Stadt ziehen müssten, weil sie sich die Mieten dort nicht mehr leisten könnten. Deshalb sei ein Mietenkataster und eine Verschärfung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes vereinbart worden und die Ausweitung der Milieuschutzgebiete.
Für den ehemaligen Flughafen Tempelhof sei eine "behutsame Bebauung am Rande des Tempelhofer Feldes" geplant, sagte Saleh weiter. Mit einem Wettbewerb sollen die besten Lösungen für die Bebauung nach sozialen Vorgaben erarbeitet werden. Die Berliner sollen danach auch die Chance bekommen, über das Vorhaben in Form eines erneuten Volksentscheids abzustimmen.
29-Euro-Ticket soll unbefristet fortgesetzt werden
Für den ÖPNV soll das Berliner 29-Euro-Ticket unbefristet fortgesetzt werden. Der Monat sei allerdings noch unklar – der 1. Mai werde es aber nicht werden. "Wir stehen im engen Austausch mit Brandenburg", sagte Giffey über die Verhandlungen mit dem Nachbarland und den Verkehrsbetrieben.
Über die kostenintensiven Vorhaben sagte CDU-Generalsekretär Stefan Evers: "Bei all dem werden wir auch die Wirtschaftlichkeit beachten. Wir haben nicht die Taschenrechner aus dem Fenster geworfen, sondern mit spitzer Feder nachgerechnet. Das gilt insbesondere für das große Thema Sondervermögen Klimaschutz." Man habe beim gescheiterten Klima-Volksentscheid durchaus registriert, dass den Menschen Klimaschutz wichtig sei. CDU und SPD haben sich auf ein Sondervermögen von bis zu zehn Milliarden Euro geeinigt, wie die "Berliner Morgenpost" berichtete.
Die Finanzierung aller Projekte soll über Kredite laufen, sagte der SPD-Parteivorsitzende Saleh.
Ab Dienstag stimmen SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag ab, das Ergebnis soll am 23. April feststehen. Die CDU entscheidet über das Regierungsprogramm auf einem Parteitag, der voraussichtlich am 24. April stattfinden soll. Erst danach soll bekannt gegeben werden, wer welchen Senatsposten übernimmt. Über die Aufteilung der Ressorts hatten sich beide Parteien am Sonntag geeinigt. CDU und SPD sollen jeweils fünf Senatsressorts bekommen.
Diese Ressorts erhält die Berliner CDU:
- Regierender Bürgermeister sowie Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung
- Finanzen
- Bildung, Jugend und Familie
- Kultur und Europa
- Umwelt, Mobilität und Klimaschutz
- Justiz und Verbraucherschutz
Diese Ressorts gehen an die Berliner SPD:
- Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, ergänzt um den Denkmalschutz
- Innenressort
- Wirtschaft
- Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung
- Arbeit und Soziales, Vielfalt und Antidiskriminierung
Welche Rolle die Bürgermeisterin und SPD-Vorsitzende Franziska Giffey im neuen Senat spielen wird, ließ sie am Montag noch offen. Die Namen der neuen Senatorinnen und Senatoren würden erst nach Zustimmung beider Parteien zum Koalitionsvertrag vorgestellt.
Stimmen CDU und SPD dem Koalitionsvertrag zu, ist die gemeinsame Unterzeichnung für den 26. April geplant. Einen Tag später könnte dann Wegner vom Abgeordnetenhaus zum neuen Regierenden Bürgermeister gewählt werden. Seit über 20 Jahren wäre er damit der erste Christdemokrat in diesem Amt.
Verwendete Quellen:
- Vorstellung der Koalitionsvereinbarungen der Berliner CDU und SPD am 3. April
- morgenpost.de: Diese Mega-Summe steckt Schwarz-Rot in den Klimaschutz

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