• Die Zwillingsschwester der in Berlin getöteten Radfahrerin ruft die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" auf, ihre Methoden zu überdenken.
  • Sie müssten sich fragen, "ob es nicht einen anderen Weg gibt, für das Überleben unseres Planeten zu kämpfen", sagte die 44-Jährige dem "Spiegel".
  • Die Schwestern hatten offenbar eine sehr enge Verbindung. "Sie ist meine Welt gewesen, so wie ich ihre Welt war", sagte die Hinterbliebene.

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Nach dem Tod einer von einem Betonmischer überrollten Radfahrerin in Berlin hat deren Zwillingsschwester einen Appell an die Klimaaktivisten gerichtet. In einem Gespräch mit dem "Spiegel" (Bezahlinhalt) rief sie die Gruppe "Letzte Generation" auf, ihre Protestmethoden zu überdenken.

"Ich glaube, ich würde ihnen einfach gerne das, was ich erlebt habe, erzählen, und ihnen dann gerne die Chance geben, sich einmal in diese Hölle hineinzuversetzen", sagte Anja Umann dem Nachrichtenmagazin. Die Aktivisten müssten sich fragen, "ob es nicht vielleicht doch einen anderen Weg gibt, für das Überleben unseres Planeten zu kämpfen, ohne dass andere Menschen möglicherweise zu Schaden kommen".

Klimablockade hatte Stau ausgelöst

Umanns Schwester war am 31. Oktober in Berlin von einem Betonmischer überrollt worden. Am Donnerstagabend erlag sie ihren schweren Verletzungen. Ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr hatte nach dem Unfall am Montag wegen einer Protestaktion von Aktivisten der Letzten Generation im Stau gestanden und war deshalb verspätet zum Unglücksort gekommen. Es ist aber unklar, ob diese Verspätung ursächlich für den Tod der Radfahrerin war.

Die Berliner Polizei stellte gegen zwei Protestierende Strafanzeige, unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung. Politikerinnen und Politiker verschiedenster Parteien äußerten im Anschluss an den Unfall Kritik an den Methoden der Protestler.

"In 44 Jahren nie getrennt gewesen"

Anja Umann hat durch den Unfall nach eigener Aussage den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren: "Sie ist meine Welt gewesen, so wie ich ihre Welt war." Die Eltern der Schwestern seien tot, es gebe keine Partner und kaum enge Freunde. "Wir haben eine ganz besondere Art der Verbindung: Wir sind in den vergangenen 44 Jahren nie getrennt gewesen."

Umann hatte sich nach eigene Aussage selbst an den "Spiegel" gewandt. Es habe sie schockiert, wie "ignorant einige Klimaaktivisten den Tod von Menschen in Kauf nehmen". Dass das aufgehaltene Spezialfahrzeug ihrer Schwester womöglich gar nicht mehr hätte helfen können, macht für sie keinen Unterschied: "Es hätte ja ebenso gut sein können, dass dieses Fahrzeug das Leben meiner Schwester hätte retten können, wie zunächst anzunehmen war."

Verständnis für die Ziele - aber nicht für Methoden

"Meine Schwester und ich teilen die Ziele der Bewegung zu 100 Prozent", sagte Umann weiter. Es verletze sie aber sehr, "wie ignorant einige Klimaaktivisten den Tod von Menschen in Kauf nehmen, die sich unter Umständen selbst für Umweltschutz und andere Menschen einsetzen".

Auf Forderungen nach härteren Strafen für Straßenblockaden, Vergleiche mit der RAF und die Präventivhaft für einige Klimaaktivisten in Bayern reagierte Umann ebenfalls mit Unverständnis. "Ich habe den Eindruck, da reagiert Drastik auf Drastik - da kommt etwas Extremes auf, von dem ich nicht sicher bin, ob ich das so unterstütze", sagte sie. (afp/fab)

Sollte "Letzte Generation" schärfer bestraft werden? Ampel-Politiker dagegen

Die Kritik an den Aktionen der "Letzten Generation" wächst, auch von Vertretern der Ampel-Parteien. Eine von der Union geforderte Strafverschärfung lehnen sie aber ab. Unterdessen gehen die Protest der Klima-Aktivisten unvermindert weiter.