Die Zahl der auf dem Mittelmeer gestorbenen Flüchtlinge ist in den ersten drei Monaten 2023 stark angestiegen. Sie ist so hoch, wie seit sechs Jahren nicht mehr. Die Bemühungen der EU zur Rettung der Geflüchteten sind hingegen stark zurückgegangen.

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In den ersten drei Monaten des Jahres 2023 sind bei ihrer Flucht über das Mittelmeer nach Angaben einer UN-Organisation 441 Migranten ums Leben gekommen. So viele Todesfälle seien im ersten Quartal eines Jahres im Mittelmeer seit 2017 nicht mehr registriert worden, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Mittwoch in Genf mit.

Sie führt die steigende Zahl auf Verzögerungen bei staatlichen Rettungsmaßnahmen und Behinderungen von Rettungsschiffen von Nichtregierungsorganisationen zurück. 2022 waren von Januar bis März 334 Todesfälle registriert worden, 2017 waren es 742.

Als Gründe für den Anstieg der Todeszahlen nannte IOM-Direktor Antonio Vitorino "Verspätungen und Lücken" bei den europäischen Such- und Rettungsmissionen. Bei mindestens sechs Unglücken seit Beginn des Jahres hätten Verzögerungen bei der Rettung dazu geführt, dass insgesamt 127 Menschen gestorben seien. Bei einem siebten Unglück sei keine Hilfe geschickt worden. Die EU habe ihre Versuche, Flüchtlinge in Seenot zu finden und zu retten, in den vergangenen Monaten stark zurückgefahren.

Über 20.000 Flüchtlinge sind seit 2014 auf der Mittelmeer-Route gestorben

Mehr als 20.000 Menschen seien auf der Mittelmeer-Route seit 2014 ums Leben gekommen. "Die Staaten müssen reagieren. Die menschliche Katastrophe, die sich im Mittelmeer ereignet, ist nicht hinnehmbar", sagte Vitorino. Benötigt werde eine proaktive Koordinierung der Such- und Rettungsmaßnahmen.

In den ersten drei Monaten 2023 dürften laut IOM noch mehr als die registrierten 441 Menschen ums Leben gekommen sein. Es gebe auch Fälle, in denen Boote als vermisst gemeldet würden, für die es aber keine Aufzeichnungen über Überlebende und Opfer gebe, teilte die IOM mit. Allein am Osterwochenende erreichten laut IOM rund 3.000 Migranten Italien. Damit erhöhte sich die Zahl der in diesem Jahr angekommenen Menschen auf 31.192.

Bei dem jüngsten Flüchtlingsunglück vor der tunesischen Küste am Dienstag konnten 72 Menschen gerettet werden, 20 bis 30 Migranten würden noch vermisst, teilte die tunesische Küstenwache am Mittwoch mit. Erst am vergangenen Wochenende waren in der gleichen Region 27 Geflüchtete aus Staaten südlich der Sahara ums Leben gekommen.

Tunesien ist ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge, die über die gefährliche Mittelmeer-Route nach Europa gelangen wollen. Die italienische Insel Lampedusa liegt weniger als 150 Kilometer von der tunesischen Küste entfernt.

Die Überquerung des zentralen Mittelmeers gilt als die weltweit tödlichste Route für Migranten und Flüchtlinge. Dennoch wagen jährlich Zehntausende auf oft kaum seetüchtigen Booten in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa die gefährliche Überfahrt. (dpa/afp/the)

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