- Während einer Corona-Infektion erleiden Infizierte unter anderem Riechstörungen, die teilweise auch noch Monate nach der Erkrankung andauern.
- Eine neue Studie zeigt jetzt, weshalb der Geruch bei manchen so lange beeinträchtigt ist und legt Behandlungsansätze nahe.
Nach einer akuten Covid-Erkrankung gehen anhaltende Störungen des Geruchssinns einer Studie zufolge nicht auf den eigentlichen Auslöser, das Coronavirus, zurück. Vielmehr sind Immunprozesse dafür verantwortlich, dass Betroffene teils Monate lang nicht mehr so riechen können wie zuvor.
Hinweise darauf geben Analysen von Proben aus der Riechschleimhaut Betroffener. Dort entdeckte ein US-Forschungsteam Entzündungsprozesse, die auch in Abwesenheit des Erregers Sars-CoV-2 noch andauerten und mit einem Rückgang der Riechzellen einhergingen.
Entzündungen der Riechschleimhaut sind Grund für Riechstörungen
Riechstörungen zählen zu den häufigsten Symptomen einer Covid-19-Erkrankung, schreibt das Team um Bradley Goldstein von der Duke University in Durham (US-Bundesstaat North Carolina). Dies wird allgemein darauf zurückgeführt, dass das Coronavirus die Riechschleimhaut direkt beeinflusst. Dieses 3 bis 5 Quadratzentimeter kleine Areal liegt tief in der Nasenhöhle im oberen Nasengang zu beiden Seiten der Nasenscheidewand und enthält etwa 10 Millionen Riechzellen sowie auch Stütz- und Stammzellen.
"Diese gründliche Studie gibt Hinweise darauf, dass persistierende Riechstörungen mit Entzündungen der Riechschleimhaut einhergehen", sagt der HNO-Mediziner Thomas Hummel des Universitätsklinikums Dresden, der nicht an der Arbeit beteiligt war. "Das wurde so bisher noch nicht gezeigt." Auch Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), spricht von einer "sehr wertvollen Erkenntnis".
Diverse frühere Studien – unter anderem des Frankfurter Max-Planck-Instituts für Neurogenetik – hatten belegt, dass das Coronavirus in der Schleimhaut nicht die eigentlichen Riechzellen infiziert, sondern die benachbarten Stützzellen, die die Riechzellen etwa mit Nährstoffen versorgen. "Es wird angenommen, dass bei den meisten Patienten mit Covid-bedingtem Riechverlust nach dem Verschwinden des Virus die normalen Reparaturprozesse die Population der Stützzellen (und der zufällig beschädigten Nervenzellen) ersetzen und ihre Funktion wiederherstellen", schreibt die Gruppe um Goldstein im Fachblatt "Science Translational Medicine".
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Zahl der Riechzellen nimmt nach Covid-19-Erkrankung ab
Offen war bisher, was bei jenen Menschen passiert, bei denen die Riechstörungen länger andauern – oft mehrere Monate, mitunter sogar Jahre. Dafür gab es bisher unterschiedliche Erklärungen, etwa dass eine Schädigung der Schleimhaut auch der Population von Stammzellen zusetzt, die die Zellen der Riechschleimhaut ersetzen sollen.
Um die Frage zu klären, analysierte das Team Schleimhautproben von 24 Menschen, neun davon mit länger andauerndem Geruchsverlust, nach einer Covid-Erkrankung. Bei der Untersuchung stießen die Forscher unter anderem auf T-Zellen, die mit Entzündungsreaktionen einhergehen. Solche Entzündungsprozesse dauerten auch dann noch an, wenn der Erreger Sars-CoV-2 nicht mehr im Gewebe nachweisbar war. Zudem enthielt das Gewebe auffällig wenige Riechzellen – möglicherweise fiel ihre Zahl als Folge der andauernden Entzündungsreaktion.

Wechselwirkungen zwischen Immunzellen und der Schleimhaut können eventuell zu funktionellen Veränderungen der Stütz- und Riechzellen führen, schreibt die Gruppe. Diese Reaktion unterscheidet sich von jenem mit schweren Entzündungen einhergehenden Immunprozess, der während einer akuten Corona-Infektion abläuft, heißt es weiter. Die Forschenden räumen jedoch ein, dass ihre Schlussfolgerungen nur auf einer kleinen Anzahl von Proben der Riechschleimhaut beruhen.
Studie liefert Hinweise auf Behandlungsoptionen
Das bemängelt auch der Dresdener HNO-Mediziner Hummel. "Ich hätte mir eine größere Fallzahl gewünscht", sagt er. Damit hätte man auch etwaige Einflüsse weiterer Faktoren prüfen können, etwa des Alters. Denn bei älteren Menschen dauerten Riechstörungen tendenziell länger an, meint Hummel. Gleichwohl hält DGN-Generalsekretär Berlit die Folgerungen für plausibel. "Das kann man aus den Daten schon gut schlussfolgern."
Die Autoren betonen, dass ihre Studie Hinweise auf Behandlungsoptionen liefert. So kann man etwa entzündungsfördernde Immunzellen in dem Areal gezielt hemmen. Da die Riechschleimhaut in der Nase von außen gut zugänglich sei, kann man Medikamente gezielt in dieses Areal einbringen.
Der Experte Hummel merkt an, die Studie liefere Anhaltspunkte dafür, dass antientzündliche Medikamente wie etwa Steroide oder aber plättchenreiches Plasma Riechstörungen bessern könnten. Bisher sei die Erfolgsrate solcher Therapien zwar bescheiden, möglicherweise eigneten sie sich aber für bestimmte Gruppen von Patienten.
Berlit verweist auf eine kürzlich im Fachjournal "BMC Medicine" veröffentlichte Doppelblind-Studie aus den Niederlanden. Demnach brachten Tabletten mit dem Kortisonpräparat Prednisolon bei Menschen, die schon mehr als vier Wochen lang Riechstörungen hatten, keine Besserung. Angesichts der neuen Erkenntnisse hält Berlit es für sinnvoll, nun eine direkte Anwendung von Kortison auf der Riechschleimhaut zu überprüfen.
Generell sei die Chance für eine Rückkehr des Riechens innerhalb eines Jahres sehr groß, sagt der Neurologe. Es gebe jedoch bislang keine medikamentöse Therapie mit nachgewiesener Wirksamkeit, helfen könne allerdings ein regelmäßiges Riechtraining.
Im Sommer 2021 hatten französische Forscher im Fachblatt "Jama Open Network" Zahlen veröffentlicht, wie lange Riechstörungen anhalten können. Demnach hatten rund 84 Prozent der von Geruchsverlust betroffenen 51 teilnehmenden Personen ihren Geruchssinn nach vier Monaten vollständig zurück. Bis zum Ende der Studie nach zwölf Monaten war das Riechvermögen bei 96 Prozent der Probanden wieder hergestellt. (sbi/Walter Willems, dpa)