Das Morning Briefing von Gabor Steingart - kontrovers, kritisch und humorvoll. Wissen, über was politisch diskutiert wird. Heute: Jens Spahn in der Kritik. Der Gesundheitsminister muss Engpässe beim Impfstoff erklären.

Guten Morgen, liebe Leser,
Für Gesundheitsminister Jens Spahn hat das neue Jahr unschön begonnen. In 2020 stand er im Rampenlicht. Jetzt steht er zusätzlich noch in der Kritik.
Es fehlt hierzulande an Impfstoff. Plötzlich hat es die Regierung nicht mehr so eilig. Während in Israel und Großbritannien bereits über eine Million Menschen geimpft wurden und der gewählte US-Präsident Joe Biden ankündigt, bis April würden sage und schreibe 100 Millionen Amerikaner gegen die COVID-19 Viren immunisiert, haben in Deutschland bis jetzt erst 240.000 ältere Bürger die lebensrettende Spritze bekommen.
Der Hintergrund dieser Misere: Die EU hatte im Sommer vergangenen Jahres für alle Mitgliedstaaten fast zwei Milliarden Impfdosen bei sieben Anbietern bestellt. Die EU sicherte sich im August bis zu 400 Millionen Impfdosen beim britisch-schwedischen Anbieter AstraZeneca, im September 300 Millionen Dosen beim französischen Anbieter Sanofi. Erst im November bestellte die EU auch beim Mainzer Unternehmen Biontech 200 Millionen Impfdosen mit einer Option auf 100 Millionen weitere Rationen sowie 160 Millionen Impfdosen der Firma Moderna.
Die Kritik entzündet sich daran, dass zu spät und zu wenig von dem vielversprechenden Biontech-Impfstoff bestellt wurde, der schließlich als erster Impfstoff EU-weit im Dezember eine Zulassung bekommen hatte.
Eine Leopoldina-Forscherin spricht von "grobem Versagen", die SPD – immerhin Spahns Koalitionspartner – fordert den Gesundheitsminister auf, das "Chaos" zu beenden.
Und gestern ritt auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder via "Bild"-Zeitung eine kleine, aber schmerzhafte Attacke gegen die Verantwortlichen in der EU und damit indirekt auch gegen den zuständigen Minister in Berlin.
Der CSU-Chef legte nach:
Grund genug für ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker, gestern Nachmittag beim Gesundheitsminister zu Hause durchzuklingeln.
Jens Spahn rechtfertigt die EU-Strategie. Zum Zeitpunkt der Bestellung im Sommer vergangenen Jahres sei nicht klar gewesen, welches Unternehmen sich mit einem zugelassenen Impfstoff als Erstes durchsetzen werde.
Außerdem sei das Problem nicht die Höhe der Bestellmenge, sondern die Fähigkeit der Unternehmen, zu liefern:
Ausschnitte des Gesprächs gibt es im Morning Briefing Podcast. Das gesamte, ungeschnittene Telefonat der beiden hören Sie auf ThePioneer.de.
Ich wünsche Ihnen einen beherzten Start in den neuen Tag. Bleiben wir einander gewogen. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Gabor Steingart