• Die winterliche Kälte kann für Obdachlose zur tödlichen Gefahr werden: Jedes Jahr erfrieren in Deutschland Menschen auf der Straße.
  • Wie kann man Obdachlosen im Winter am besten helfen? Wie reagiert man richtig und an welche Stellen kann man sich wenden?
  • Eine Expertin erklärt, worauf es ankommt und was jeder tun kann.

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Mit dem Winter kommt die Kälte und bei vielen die Angst vor horrenden Heizkosten. Noch härter trifft es die Menschen, die gar keine Wohnung haben: 37.400 Menschen leben in Deutschland laut einer Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf der Straße.

Obdachlose sind auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen – das gilt ganz besonders im Winter. Denn bei niedrigen Temperaturen ist das Leben auf der Straße besonders gefährlich.

Ab wann wird die Kälte lebensbedrohlich?

Auch in Deutschland erfrieren jedes Jahr wohnungslose Menschen, unter Brücken, auf Parkbänken, in Hauseingängen oder sonstigen Unterständen. Ab welchen Temperaturen das Übernachten auf der Straße gefährlich wird, lasse sich nicht pauschal beantworten, sagt Werena Rosenke, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. "Menschen können auch schon bei deutlichen Plustemperaturen an Unterkühlung sterben", gibt sie zu bedenken.

Trifft man im Winter einen Obdachlosen schlafend an, sollte man deshalb keinesfalls einfach vorbeigehen. Anhand der Kleidung oder vorhandenen Decken könne man zwar grob abschätzen, ob die Person einigermaßen gegen die Kälte gewappnet ist, sagt Rosenke. Aber diese Beurteilung reiche nicht aus. "Menschen, die bereits an Erkrankungen leiden, sind da natürlich besonders gefährdet." Doch das lässt sich von außen unmöglich beurteilen.

Obdachlose im Winter: Wie reagiert man richtig?

Rosenke empfiehlt daher, die Person direkt anzusprechen und zu fragen, ob sie Unterstützung braucht. "Mit einem heißen Getränk liegt man immer richtig", sagt sie.

Wichtig sei, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. "Es wäre schon übergriffig, Hilfe zu holen, ohne die Person vorher anzusprechen, sofern sie ansprechbar ist."

Ist eine Person nicht ansprechbar oder stark alkoholisiert, sollte man nicht zögern und direkt über den bundesweiten Notruf 112 Hilfe anfordern. Sonst setzt man nicht nur das Leben der betroffenen Person aufs Spiel, sondern riskiert auch eine Strafe wegen unterlassener Hilfeleistung.

Auch wenn die Person Hilfe ablehnt, obwohl die Umstände ein anderes Bild zeichnen, sollte man Hilfe holen. "Das ist eine schwierige Situation, mit der auch Rettungsdienste immer wieder konfrontiert sind", gibt Rosenke zu. "Im Zweifel hat allerdings die Hilfe Vorrang."

Kältebusse sind in vielen Städten unterwegs

In vielen deutschen Städten gibt es sogenannte Kältebusse, die in der kalten Jahreszeit unterwegs sind. Dies sind meist Angebote von örtlichen Hilfsorganisationen, die oft mit Unterstützung von Ehrenamtlichen nach Bedürftigen Ausschau halten und mit warmen Getränken, Mahlzeiten und Decken versorgen.

Die Kältebusse können auch direkt zu dem Ort gerufen werden, an dem eine Person Unterstützung braucht. "Solche Notrufnummer sollte man immer parat haben", rät Rosenke.

Hier finden Sie eine Auswahl an Kältebus-Rufnummern in deutschen Großstädten:

  • Berlin: 0178 5235838
  • Dresden: 0351 8036581
  • Düsseldorf: 01578 3505152
  • Frankfurt: 069 431414
  • Hamburg: 040 40178215 oder 0151 65683368
  • Hannover: 0511 9904015
  • Köln: 0221 25974244 oder 0176 24071312
  • Kiel: 0170 14 09 210
  • Leipzig: 01523 3661087
  • Mainz: 0172 6128282
  • München: 089 200045930
  • Saarbrücken: 01515 6348 029
  • Stuttgart: 0711 21954776

Wer bietet Hilfe an?

Überregionale Angebote bieten unter anderem Hilfsorganisationen wie Caritas, Malteser, Johanniter, Heilsarmee, das Deutsche Rote Kreuz oder die Diakonie. Eine zentrale Rufnummer für ganz Deutschland gibt es derzeit nicht.

Eine Übersicht über weitere Städte, die Kältebusse oder einen Kältenotruf anbieten, finden Sie unter: kaeltekarte.de. Hinter der Seite steht Sebastian Siebold, der sich ehrenamtlich engagiert und die Seite in Ermangelung einer offiziellen Übersichtsseite für Kältenotrufnummern ins Leben gerufen hat.

Gerade in ländlichen Regionen fehlt es meist an speziellen Hilfseinrichtungen oder Kältebussen. Dort seien die Ordnungsbehörden der Kommunen zuständig, sagt Rosenke. Dazu gehört die Polizei oder das Ordnungsamt.

Handelt es sich um einen Notfall, gilt - wie bei jedem Notfall - die Rufnummer 112. Ist der Notruf abgesetzt, sollte man bei der Person bleiben, bis Hilfe eingetroffen ist.

Notunterkünfte: Für viele Bedürftige keine Alternative zur Straße

Die Helferinnen und Helfer der Kältebusse bringen Bedürftige auch in Notunterkünfte, wenn sie das möchten. Diese werden meist von den Kommunen betrieben, doch viele Obdachlose entscheiden sich trotz winterlicher Temperaturen bewusst für die Straße. "Die Zustände in Notunterkünften sind zuweilen so schlecht, dass die Menschen für sich keine Alternative zur Straße sehen", sagt Rosenke.

Darüber hinaus gebe es zu wenig Angebote für Paare oder Möglichkeiten, einen Hund mitzunehmen. "Menschen, denen der Hund als einziges Bezugswesen geblieben ist, werden eine Unterkunft ohne ihren Hund nicht nutzen."

Derzeit sei die Lage in Notunterkünften vor allem in Großstädten angespannt, sagt Rosenke. In diesem Jahr seien weniger zusätzliche Immobilien angemietet worden, um Notunterkünfte für Obdachlose einzurichten. Das habe auch damit zu tun, dass die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine gesichert werden müsse.

"Man darf die Not der einen Gruppe aber nicht gegen die Not der anderen Gruppe ausspielen", betont Rosenke. So müssten zum Teil zusätzliche Hotel- oder Hostelplätze angemietet werden, um den Bedarf zu decken. Doch das kostet Geld. "Die Bundesregierung sollte zur Linderung dieser existenziellen Notlagen auch einen Sonderfonds auflegen."

Weitere Hilfsmöglichkeiten für Obdachlose

Wer über den Akutfall hinaus helfen möchte, kann das auch in Form von Geld– und Sachspenden tun. Am besten informiert man sich bei Hilfsorganisationen wie Caritas, Diakonie, Deutsches Rotes Kreuz, Heilsarmee oder Wohnungslosenhilfen vor Ort, welche Dinge gerade besonders benötigt werden.

Über die Expertin: Werena Rosenke ist Geschäftsführerin Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), welche die Arbeit seiner Mitgliedsorganisationen fördert und koordiniert.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliches Interview mit Werena Rosenke
  • bmas.de: Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
  • bagw.de: Informationsbroschüre der BAG W
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